15.01.2011
Vor 30 Jahren: RWFs LILI MARLEEN

Die Geschichte eines weltbekannten Liedes und seiner Sängerin 

Am 15. Januar 1981 startete Fassbinders Film LILI MARLEEN mit beachtlichen 100 Kopien in den deutschen Kinos. Wie auch in seiner BRD-Trilogie (DIE EHE DER MARIA BRAUN, LOLA und DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS) erzählt Fassbinder in LILI MARLEEN deutsche Geschichte am Beispiel eines komplexen Frauenportraits. Im Film stellt er den deutschen Nationalsozialismus um 1938 aus der Perspektive einer Sängerin dar, die ihre Karriere sowohl vor die Politik des Dritten Reichs als auch ihre Liebesbeziehung stellt. Beispielhaft deckt Fassbinder darin die feinen Mechanismen auf, die Künstler in einem totalitären Regime zum Mittäter werden lassen kann.

Lose basierend auf der Biografie von Lale Andersen „Der Himmel hat viele Farben“ erzählt LILI MARLEEN die Geschichte einer Liebe zwischen der angehenden Sängerin Willie Bunterberg (Hanna Schygulla) und dem Schweizer Dirigenten und Komponisten Robert Mendelssohn (Giancarlo Giannini). Willie ist eine junge erfolglose deutschstämmige Sängerin, die in Zürich von eher kleinen Auftritten lebt. Robert hingegen, aus einer einflussreichen großbürgerlichen jüdischen Familie stammend, dessen Vater (Mel Ferrer) der Chef einer weit verzweigten Untergrundorganisation ist, die Juden vor Verfolgung und Deportation schützt, hat dagegen einige Erfolge. 

Hans Henkel, ein Kulturoffizier der Nationalsozialisten, der Willie bei einem ihrer Auftritte hört, bietet an, ihr die Türen in Deutschland zu öffnen. Doch als Willie von den Aktivitäten von Roberts Familie erfährt und auch, dass er bei einer Aktion eingesetzt werden soll, besteht sie darauf ihn nach München zu begleiten. Das Paar wird jedoch bei der Rückeinreise in die Schweiz getrennt, da Willie mit fadenscheinigen Argumenten die Einreise verwehrt wird. Sie geht nach München zurück, um Hans Henkel an sein Angebot zu erinnern. Er verhilft ihr zu einem Auftritt im legendären Münchner Künstlerlokal Alter Simpl, wo sie ein neues Lied vortragen wird: Lili Marleen. Es fällt zwar beim Publikum durch, aber Hans Henkel glaubt an den Erfolg und ordnet eine Plattenaufnahme an. Der Krieg beginnt und eher zufällig wird die Platte „Lili Marleen“ beim Soldatensender Radio Belgrad abgespielt, genau um 24Uhr nachts. Von nun an wird das Lied eines unbekannten Soldaten jeden Abend zur gleichen Zeit gespielt und wird zum Erkennungslied aller am Krieg beteiligten Parteien und Soldaten. Der Ruhm des Liedes und dessen Sängerin beginnt. Willie gerät mehr und mehr in das Räderwerk der nationalsozialistischen Politik und wird zugleich auch zum Symbol eines diktatorischen kriegführenden Landes. 

LILI MARLEEN stand ein Produktionsbudget von dreizehn Millionen Deutsche Mark zur Verfügung und wurde vor allem eine stilistisch komplexe und detailgetreue Bearbeitung eines politischen, aber auch melodramatischen Stoffes.

Der Film wurde in englischer Sprache gedreht und für die deutsche Kinoauswertung synchronisiert, wobei das Lied „Lili Marleen“ in der jeweiligen Fassung auch in englisch oder deutsch von Hanna Schygulla gesungen wird. 

Fassbinder arbeitete erneut mit seinem bewährten künstlerischen Team: Kameramann Xaver Schwarzenberger, Kostümbildnerin Barbara Baum, Komponist Peer Raben und Cutterin Juliane Lorenz und zum ersten Mal mit dem sogenannten „Altproduzenten“ Luggi Waldleitner und dessen Roxy-Film.

Die endgültige Drehbuchfassung, Fassbinder hatte die Dialoge noch bearbeitet, basierte auf einer Fassung von Manfred Purzer und Joshua Sinclair. Nicht ganz uninteressant ist, dass es verschiedene Besetzungsvorschläge für die Rolle des Robert Mendelssohn gab. Zuerst war Richard Gere vorgesehen, der Fassbinder 1979 in Cannes traf, da er unbedingt mit ihm arbeiten wollte. Geres Terminplan ließ es jedoch nicht zu. So wurde noch bei einem anderen, damals ebenfalls angehenden US-Star angefragt: Michael Douglas. Dessen dramaturgische Änderungswünsche flossen dann in die Endfassung des Films ein: Robert Mendelssohn, von den Nazis verhaftet, soll im Gefängnis mit dem ständigen Abspielens des Liedes „Lili Marleen“ dazu gebracht werden, seine Beziehung zu Willie Bunterberg einzugestehen. Auch hier ließen Termingründe die Zusammenarbeit nicht möglich werden.

Nach der deutschen Uraufführung am 14.01.1981 im Münchner Mathäser Filmpalast schieden sich zwar damals die Geister der deutschen Filmkritik und des Publikums gewaltig, doch wurde LILI MARLEEN der größte Kassenerfolg des Jahres 1981. Heute zählt er als herausragendes Beispiel für die Verwendung von Mode als dramaturgischem Stilmittel und war im November 2010 an The New School for Design in New York Gegenstand einer filmtheoretischen Analyse. 

Mehr Informationen:

RWFF Filmografie zu LILI MARLEEN

Fotos: Hanna Schygulla in LILI MARLEEN, 1980 © RWFF 



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