Kritischer Kalender

Liebe – kälter als der Tod

Mit LIEBE – KÄLTER ALS DER TOD kommt, nach dem Erfolg des KATZELMACHER, Rainer Werner Fassbinders Spielfilmdebut erstmals in die Kinos. Es ist ein Gangsterfilm, der in seinen langen Einstellungen etwas von der Liebe verrät, die er seinen Gestalten entgegenbringt; anders als KATZELMACHER, der ihnen eine feindliche Kamera auf den Leib rückt oder sie auf Geländern und Parkbänken wie zur Besichtigung ihrer Deformationen ausstellt, ist LIEBE – KÄLTER ALS DER TOD ein Film über das Maß ihrer Freiheit, die Räume, in denen sie leben, allein auszumessen und zu füllen; ein Versuch über die Möglichkeit, die Vor-Formulierungen des Genres als ständig durchbrechbare zu erhalten und zur Definition der Figuren nur in dem Maße zu benutzen, als diese in ihnen aufgehen. So entstehen sie als Identitäten vor den Augen des Zuschauers, nicht als Objekte einer ihnen vorausgegangenen Einsicht; in der Intensität und Präzision, die der Prozess ihrer Selbstdarstellung jeweils möglich macht. LIEBE – KÄLTER ALS DER TOD enthält nicht nur eine von Straub nicht verwendete Version der nächtlichen Autofahrt aus DER BRÄUTIGAM, DIE KOMÖDIANTIN UND DER ZUHÄLTER, sondern ist in seinem Filmverständnis eine Hommage an den „Vampit Straub“ (Fk 8/69). KATZELMACHER erscheint dagegen wie eine Sozialreportage aus konkret, gesehen mit den Zoom-Augen eines Italowestern-Regisseurs.

Jörg Peter Feurich

Filmkritik, 3/70

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