„Schreibe einfach, ich sei harmlos...“

Ein Telefon-Interview mit Mascha Rabben

Sie ist ein wenig in Eile, sie will nämlich nachher noch nach Bombay. Für zwei Monate. Vielleicht auch etwas weniger. Im Moment, sagt sie, stopft sie sich gerade mit Stullen voll und hat deswegen unheimlich gute Laune. „Wozu nach Bombay?“ „Das kann ich Ihnen nicht erklären. Es hat sich ganz plötzlich so ergeben, und da habe ich eben gebucht.“ „Also nicht für einen Film?“ „Nein, nein wir wollen da Musikaufnahmen machen, deshalb sitze ich hier auf diesen Kisten und Koffern...“

Sie lacht, und es klingt sehr fröhlich. Ich frage, wie sie sich Bombay vorstellt, was sie dort erwartet, wenn sie aus dem Flugzeug steigt. „Einen Himmel voller Geigen. Weißgekleidete Inder und einen Himmel voller Geigen. Ich setze mich hin und warte was passiert. Es wird unheimlich schön.“ „Wie fühlt man sich, wenn plötzlich in den Zeitungen steht, daß man ein Star sei?“ „Ich habe es gelesen, aber ich habe bis jetzt nichts davon bemerkt. Es hat sich ja auch gar nichts geändert. Ich kriege dauernd Angebote, aber die Sachen, die ich machen möchte, sind genauso selten wie früher.“ „Das Geld spielt dabei keine Rolle?“ „Das stimmt schon, ich habe jetzt sehr viel mehr Geld als früher. Aber das Geld ist nicht so wichtig. Ich brauche es, aber ich mache keinen Film, um es dann in einem Sanatoriumsaufenthalt anzulegen. Ich will keinen Film machen, zu dem ich keine Beziehung habe. Bis jetzt habe ich alle Filme mit Freunden gemacht oder mit Leuten, die dann meine Freunde geworden sind.“ „Ist Rainer Werner Fassbinder ein Freund?“ „Ich habe den Rainer sehr lieb, wir haben uns auf einer Ebene getroffen, wo wir sehr gut miteinander arbeiten konnten. Vorher hatte ich große Angst, er würde mich anbrüllen und mich fertigmachen. Er kann sehr verletzend sein. Er ist sehr sensibel und reagiert darum so heftig auf alle falschen Töne.“ Ich frage, was sie von der Geschichte „Welt am Draht“ hält. Sie ist begeistert. „Die Science-Fiction-Geschichte aller Science-Fiction-Geschichten. Eigentlich ist es gar keine. Es ist eine psychedelische Geschichte. Ein mindtrip für Leute, die sehr viel im Kopf haben. Und die Rolle war wie vom Himmel gefallen. Leider hat es der Rainer anders gemacht, so künstlich und artifiziell. Ich hätte es eher warmherzig und identikativ gemacht.“ „Liegt das nicht auch an der Rolle? Ein undurchsichtiges Wesen in einer etwas merkwürdigen Welt?“ „Schon, aber jetzt wirkt sie etwas kalt, glaube ich.“ „Kann es nicht auch an Ihnen selbst liegen. Ihre Rolle in ‚Harlis’ war doch genauso artifiziell, und Robert van Ackeren sagt, Sie stilisierten sich auch privat zu einer gewissen Künstlichkeit.“ „Das ist das, was er in mir sieht. Er vergisst dabei, daß ich auch eine große Natürlichkeit habe. Ich finde, daß sich das bei mir ausgleicht. Aber mit der ‚Welt am Draht’ hat das nichts zu tun. Klaus Löwitsch spielt da im Grunde Humphrey Bogart, Barbara Valentin Jane Mansfield und ich Laureen Bacall.“ „Können Sie sagen, was Sie mal erreichen wollen?“ „Nichts, was ich jetzt nicht habe. Etwas erreichen bedeutet doch nicht, etwas haben oder etwas werden, sondern etwas sein. So wie ich jetzt bin, kann mir nichts passieren. Ich könnte jetzt keinen Fehler machen. Ich übertreibe nichts. Ich lasse mich auf nichts festlegen, auf keine Rolle, keinen Ort, keinen Menschen.“ „Aber was kann man dann über Sie schreiben?“ Sie lacht sich kaputt. „Siehst Du, ich sag’ jetzt einfach Du. Ich bin der totale Antistar. Man kann nichts über mich schreiben. Schreib einfach, ich sei harmlos. Es braucht sich niemand über mich aufzuregen, das wäre meine Bitte an die Zuschauer. Es ist mir unangenehm, wenn sie sich über mich wundern, wie über ein buntes Zirkuspferd. Ich will nicht dauernd revidieren, was sich in den Köpfen über mich festsetzt. Manchmal merke ich schon, daß sie mich so ansehen und sehen gar nicht mich. Dann habe ich Lust, ihnen auf die Nase zu hauen und zu sagen, ‚He, hier bin ich’. Aber jetzt muß ich wirklich weg. Tschüs.“

(Das Gespräch führte Alexander Wesemann.)

Aus der Informationsbroschüre:

Fernsehspiele Westdeutscher Rundfunk Juli – Dezember 1973, S. 68-69


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